Michael Ziegler: „Politik muss mehr auf die Wirtschaft hören“

Stuttgart. „Wenn die Bundesregierung fachlichen Rat suchen und auch auf die Ratschläge aus der Wirtschaft hören würde, wenn sie Beschlüsse trifft, wäre viel gewonnen“, sagt der Präsident des baden-württembergischen Kraftfahrzeuggewerbes Michael Ziegler. Er äußert sich vor dem Hintergrund der wachsenden Unzufriedenheit vieler Unternehmen, auch aus dem Kfz- und Tankstellengewerbe, mit den aktuellen politischen Entscheidungen auf Bundes- und EU-Ebene. Ziegler kündigt eine Kommunikationsoffensive des Verbandes an, die am heutigen Freitag beginnen soll: „Wir sehen die Proteste der Bauern und die Solidaritätsaktionen aus manch anderen Branchen als Warnzeichen an die Politik, dass sie sich verrennt.“ So legten heute viele Handwerksbetriebe um 11 Uhr symbolisch die Arbeit nieder, um ihren Unmut zu äußern.

„Die Ampelkoalition muss vorsichtig sein. Ihre Entscheidungen verunsichern Menschen und Unternehmen. Sie könnten unbeabsichtigt radikale politische Kräfte stärken“, warnt Ziegler. „Angesichts der wirtschaftlichen Schwierigkeiten, der ausufernden Bürokratie und der Herausforderungen durch die Transformation brauchen wir pragmatische und schnelle Lösungen.“

Das baden-württembergische Kfz-Gewerbe schreibt deshalb in einer Briefaktion die baden-württembergischen Bundestagsabgeordneten und Funktionsträger in der Bundesregierung an und fordert zum Dialog auf: „Der beste Lehrmeister ist die Praxis. Deswegen laden wir die Abgeordneten flächendeckend in Autohäuser und Kfz-Werkstätten ein, um zu zeigen, wo der Schuh drückt, und um Lösungen zu erarbeiten.“

Baden-Württemberg hat einen „Strategiedialog Automobilwirtschaft“, an dem neben Vertretern der Landespolitik unlängst auch Wirtschaftsminister Robert Habeck teilgenommen hat. „Das ist ein gutes Beispiel, wie Kommunikation eigentlich funktionieren kann“, sagt Michael Ziegler. Allerdings mit einem dicken Aber: „Es wäre schön gewesen, wenn der Minister die Gelegenheit genutzt hätte, uns über die Pläne der Bundesregierung in Sachen Streichung des Umweltbonus zu informieren und über die Auswirkungen einer solchen Maßnahme zu diskutieren, anstatt damit überfallartig wenige Tage später an die Presse zu gehen.“

Die jetzige Initiative des Landesverbandes bezeichnet Ziegler, der selbst Mitglied des Bundesvorstands des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) ist, als flankierende Maßnahme: „Der Dialog muss natürlich vor allem auf der Bundesebene stattfinden. Aber wir wollen ergänzend mit den Abgeordneten vor Ort ins Gespräch kommen.“

Die Probleme, die gelöst werden müssen, kann er schnell definieren: „Klimaschutz, die Transformation der Automobilbranche und speziell das Thema E-Auto-Förderung. Gigantischer Bürokratieaufbau und eine nie dagewesene Regelungswut von Bund und EU. Dazu natürlich die Sicherung der individuellen Mobilität. Wer den Leuten, und sei es durch die Hintertür, ihre Autos wegnimmt, dem werden sie mit geharnischten Protesten die Tür einrennen.“  Die Verengung der Klimaschutzfrage auf E-Mobilität und der entsprechende Druck der Politik auf die Hersteller habe zu strategischen Fehlentscheidungen geführt und schwäche die Wirtschaftskraft des Landes.

„Die Stimmung im Kraftfahrzeuggewerbe und bei unseren Kunden ist nicht gut“, bringt Michael Ziegler die aktuelle Lage auf den Punkt. „Etliche unserer Betriebe haben sich in den vergangenen Tagen mit dem Bauernprotest solidarisiert und das kann ich durchaus verstehen. Die Betriebe sehen sich angesichts der konjunkturellen Schwächephase und der Herausforderungen der Transformation mit großen wirtschaftlichen Unsicherheiten konfrontiert und halten die politischen Rahmenbedingungen für völlig unzureichend.“

Die Politik auf Bundesebene müsse Wege finden, den Übergang zur E-Technologie volkswirtschaftlich verträglich zu gestalten und ihn gemeinsam mit der Autobranche umzusetzen. Ziegler: „Das passiert derzeit aber nicht. Die diesbezüglichen Maßnahmen und Entscheidungen, auch im verkehrspolitischen Bereich, sei es auf Bundes- oder Landesebene – Stichwort Landeskonzept Mobilität und Klima –, gehen an der Lebensrealität der meisten Menschen vorbei.“

Ohne weitere absatzstützende Maßnahmen werde sich das E-Auto nicht zügig durchsetzen können, weil es ohne Förderung derzeit für viele Menschen schlichtweg noch zu teuer sei. „Die Auftragseingänge im Privatkundenbereich sind seit über einem Jahr stark rückläufig. Es ist deshalb sogar die Frage, ob die 524.000 Neuzulassungen von batteriegestützten E-Autos (BEV) aus dem Jahr 2023 in diesem Jahr nochmals erreicht werden können“, sagt Michael Ziegler. „Die meisten Menschen rechnen sehr genau und Umfragen belegen, dass die meisten Kunden Fahrzeuge bis 30.000 Euro möchten. Deshalb bringt es auch nichts, das Fahren von Verbrennern immer weiter zu verteuern, sondern wir brauchen gezielte Anreize und Förderungen für alternative Antriebe, wenn man nicht die individuelle Mobilität insgesamt zurückdrängen will und damit die Bedürfnisse der meisten Menschen ignoriert. Die Politik gegen das Auto muss ein Ende haben.“ Das Auto müsse immer ein Teil der Lösung aller Überlegungen zum Klimaschutz sein, weil die Menschen auf individuelle Mobilität angewiesen seien und diese in der ganz überwiegenden Mehrheit auch wollten.

Unter dem Strich „haben wir gerade allerdings nicht den Eindruck, dass die Politik so etwas wie ein betriebswirtschaftliches Konzept hat, wie sie ihre eigenen Vorgaben in Sachen Klima und Mobilität umsetzen und die Menschen dabei mitnehmen will.“ Weniger Ideologie und mehr Pragmatismus bei wirtschaftspolitischen Weichenstellungen wäre aus Sicht des baden-württembergischen Kfz-Gewerbes daher hilfreich.

„Die Hersteller haben für Europa, China, Nordamerika ihre Produktion auf E-Autos umgestellt und die Autohäuser und Werkstätten stellen sich darauf ein“, sagt Michael Ziegler zur aktuellen Lage: „Elektromobilität zu forcieren, ist absolut richtig und dennoch sollten wir in Deutschland gerade mit Blick auf den Weltmarkt das Verbrenner-Knowhow nicht völlig über Bord werfen. Wir sollten anstreben, dass auch unsere Bestandsflotte mit Biokraftstoffen, HVO und langfristig auch E-Fuels ganz oder mindestens teilweise CO2-neutral betrieben werden kann. Das nützt uns auch, um in Weltregionen, in denen die Elektromobilität in absehbarer Zukunft keine relevante Rolle spielen wird, konkurrenzfähig zu bleiben. China macht das eindrucksvoll vor.“

Die Kfz-Betriebe erlebten in den letzten Monaten und Jahren zudem statt des versprochenen Bürokratieabbaus eine „Orgie an neuen Regelungen und Bevormundungen in Bürokratiebereichen wie dem Verbrauchslabeling bei Neufahrzeugen, Geldwäsche, Datenschutz, Lieferketten, Taxonomie, Berichtspflichten bei der Nachhaltigkeit, Aufzeichnungspflichten bei Arbeitszeiten, Steuern und vielem mehr“, zählt Michael Ziegler auf. „Vor allem für kleine und mittlere Betriebe kann da leicht ein Strick draus werden, an dem die Politik sie aufhängt und ihnen den Garaus macht. Viele Unternehmer haben schlicht die Schnauze voll von immer noch mehr Vorgaben. Wir sind diesbezüglich gefühlt an einem Kipppunkt, was unsere Familienbetriebe noch akzeptieren wollen und können.“

Für Baden-Württemberg und Deutschland gelte deshalb, „Hersteller, Kfz-Betriebe und Kfz-Nutzende brauchen ein Konzept, das folgende Punkte erfüllt, um Klimaschutz und Transformation zu vereinen:

  1. Die Weiterqualifizierung der Mitarbeiter und der technische Wandel in den Werkstätten durch neue Antriebsarten und durch die fortschreitende Digitalisierung müssen unterstützt und beschleunigt werden.
  2. Der Einsatz von alternativen, CO2-neutralen Kraftstoffen komplett oder als Beimengung muss durch eine vorteilhafte Steuergestaltung unterstützt werden.
  3. Der Wechsel von alter Verbrennertechnologie zu neuen E-Autos muss weiter verlässlich gefördert werden. Dadurch könnte das preissensible Segment gestützt werden.
  4. Auch die Förderung von gewerblichen Zulassungen von E-Fahrzeugen muss wieder eingeführt werden. Gewerbliche Fahrzeuge sind die Treiber für den Aufbau eines Gebrauchtwagenmarktes, weil sie nach Ende der Leasingfristen für diesen zur Verfügung stehen“

„Die Entmündigung der Wirtschaft muss kurzfristig ein Ende finden“, gibt Michael Ziegler als Ziel aus: „Jetzt gilt es, in einen konstruktiven Dialog einzutreten, der uns voranbringt.“